Das Revier im Wandel
Wirtschaft
Die Zeit, als die Wirtschaft des Ruhrgebiets vom Kohlebergbau und der Stahlindustrie geprägt war, ist endgültig vorbei.
Im verbliebenen Braunkohle Tagebau arbeiten nur noch ein paar hundert Kumpel.
Im Jahr 2018 haben Bund und Länder die Subventionen für den Bergbau beendet, und die lange Zeit des Steinkohleabbaus im Revier ist vorbei.
Bereits in den 1960er und 1970er Jahren kam es in beiden Wirtschaftsbereichen zu enormen Arbeitsplatzverlusten, die weder von der Industrie, noch vom Dienstleistungssektor aufgefangen werden konnten. In fast allen Städten des Ruhrgebietes liegt die Arbeitslosenquote seither im zweistelligen Bereich.
Inzwischen hat der Dienstleistungssektor mit mehr als zwei Dritteln der Beschäftigten den höchsten Anteil im Ruhrgebiet.
Der Gesundheitssektor spielt dabei eine wichtige Rolle. In diesem Bereich arbeiten heute sehr viel mehr Menschen als im Bergbau.
Viele Kommunen versuchen, ihr Dienstleistungsangebot zu erweitern.
Nirgendwo sonst in Europa gibt es heute ein so dichtes Netz von attraktiven Einkaufszentren, die Kunden von außerhalb des Ruhrgebietes anziehen sollen.
In jeder Stadt werden kleinere Industrieparks auf ehemaligen Brachflächen errichtet.
Die Unternehmen in den Parks profitieren vor allem von den günstigen Verbindungen innerhalb des Ruhrgebiets.
Städte wie Dortmund und Essen versuchen, sich als überregional bekannte Handelsstädte zu etablieren. Darüber hinaus ist die Technologie- und Inkubator-Konstruktion (TGZ), die bereits in den 1980er Jahren in Betrieb war, ebenfalls vorhanden.
In diesen Zentren werden innovative High-Tech-Produkte entwickelt, die dem Ruhrgebiet ein neues Image als zukunftsorientierte Region geben.
All diese Maßnahmen und Bemühungen konnten jedoch bisher die hohen Arbeitsplatzverluste in der Bergbau- und Steinbruchindustrie nicht ausgleichen.
Verkehr
Keine Region in Europa ist von einem so dichten Straßen- und Schienennetz durchzogen wie das Ruhrgebiet.
Die gesamte Transportstruktur stammt noch aus der Zeit, als Güter aus der Schwerindustrie und dem Bergbau schnell und kostengünstig transportiert werden mussten.
Ein dichtes Netz von Kanälen und Häfen sorgt nach wie vor für einen regen Warenfluss durch den Transport von Binnenschiffen. Der Duisburger Hafen ist der größte Binnenhafen der Welt und einer der größten Umschlagplätze in Europa.
Als Schnittpunkt des Personen- und Güterverkehrs gibt es viele große Umsteige- und Überlandbahnhöfe. Dazu sind fast alle Städte im Ruhrgebiet, dank des dichten S-Bahn-Netzes und des Nahverkehrs, schnell und einfach zu erreichen.
Das Autobahnnetz stammt noch aus einer Zeit, in der für eine autogerechte Stadt geworben wurde und jeder Ort in der Stadt, wie auch im gesamten Ruhrgebiet schnell mit dem Auto erreichbar sein sollte. So durchzieht beispielsweise ein dichtes Netz von Autobahnen in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung das Ruhrgebiet.
Diese sind in der Regel verzweifelt überlastet, insbesondere zu den Spitzenzeiten des Geschäftsverkehrs aufgrund des zunehmenden Verkehrsaufkommens.
Ein mehrspuriger Ausbau ist oft aus Platzgründen nicht möglich.
Das beste Beispiel dafür ist die A 40, die durch die Essener Innenstadt führt.
Struktur
Viele Städte im Ruhrgebiet sind noch immer mit den Sünden des Nachkriegsbaus und der 1960er und 1970er Jahre konfrontiert. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs mussten die Städte möglichst schnell wieder aufgebaut werden, um der in das Ruhrgebiet zurückkehrenden Bevölkerung ausreichend Wohnraum zu bieten.
Die Vorkriegsstruktur wurde übernommen, und auf den zerstörten Siedlungsgebieten wurden angemessene und nüchterne Wohngebäude errichtet. In den 1960er und 1970er Jahren fielen die kleinen Baureste der Idee einer autogerechten Stadt zum Opfer. Ganze Straßen wurden abgerissen, um Platz für breite Einfälle und Umgehungsstraßen zu schaffen.
Ganze Hochhauskomplexe wurden vom Boden gerissen, die später oft zu sozialen Brennpunkten wurden.
Erst in den 1980er Jahren begann eine Neugestaltung.
Schlechte Wohnqualität und hohe Umweltbelastungen durch die Kohle hatten bereits seit den 1960er Jahren zu einer Welle der Abwanderung aus den Städten geführt.
Seither basieren Stadtsanierungskonzepte zunehmend auf der Verbesserung des Wohnumfeldes und der Verkehrsberuhigung in Wohngebieten und Stadtzentren.
Statt großer Bauprojekte wurden seither einzelne Objekte favorisiert und Lücken gefüllt. Darüber hinaus hat die schrittweise Umgestaltung ehemaliger Arbeitersiedlungen begonnen, die als Wohnraum immer beliebter werden.
Auf alten Industrie- und Kohlerevieren werden hochwertige, oft an ökologischen Standards orientierte Wohnsiedlungen gebaut, die von der Bevölkerung sehr gut angenommen werden.
Die Auswanderungswelle aus den zentralen Gebieten des Ruhrgebiets konnte damit erfolgreich gestoppt werden.
Bildung und Kultur
Das Ruhrgebiet hatte lange Zeit die alleinige Aufgabe, Rohstoffe für die industrielle Entwicklung zu beschaffen und zu liefern. Erst mit der Kohlekrise Ende der 1950er Jahre begann ein Umdenken.
Innerhalb kürzester Zeit wurden ab den 1960er Jahren fünf Universitäten in Bochum, Dortmund, Essen, Duisburg und Hagen gegründet.
Später kam die private Universität Witten/Herdecke hinzu.
Hinzu kommen acht Fachhochschulen, die Hochschule für Musik, Theater und Tanz in Folkwang, sowie drei Fraunhofer- und Max-Planck-Institute, die der Forschung nahe stehen.
Mit mehr als 290.000 eingeschriebenen Studierenden ist das Ruhrgebiet zur teuersten Universitätslandschaft Europas geworden.
Auch im kulturellen Bereich hat das Ruhrgebiet in den letzten Jahrzehnten eine
enorme Entwicklung durchlaufen.
Heute verfügt die Region über ein dichtes Netz von Stadttheatern und Opernhäusern. Darüber hinaus gibt es zahlreiche kleine Theatergruppen auf mehr als 150 freien Bühnen.
Große Festivals, wie die “Ruhrfestspiele” in Recklinghausen, das “Theaterfestival Ruhr” oder “Bochum Total”(Links) machen das Ruhrgebiet weit über seine Grenzen hinaus bekannt.
Die “Internationale Bauausstellung Emscher-Park (IBA)” hat eine herausragende Leistung in der kulturellen Entwicklung erbracht. Einer der Schwerpunkte dieses auf zehn Jahre angelegten Projekts, war die Wiederherstellung ehemaliger Industriedenkmäler und Brachflächen für eine neue kulturelle Nutzung. Die entstandenen Gebäude auf der “Route der Industriekultur” sind zu bemerkenswerten touristischen Highlights geworden, die Besuchermassen anziehen.
Mit der Ernennung Essens zur Kulturhauptstadt Europas erhält das Revier einen
neuen kulturellen Impuls.
Natur und Freizeit
In vielen Teilen Europas gilt das Ruhrgebiet noch immer als einzigartige, graue Industrielandschaft. Aber es gibt mehr Grünflächen in der Region, als angenommen wird. Um die unkoordinierte Entwicklung in den Städten zu stoppen, wurde bereits in den 1960er Jahren das Konzept der regionalen grünen Züge entwickelt.
Diese grünen Züge gehen von Norden nach Süden durch das gesamte Ruhrgebiet und trennen die Städte durch einen durchschnittlich zwei Kilometer breiten Abschnitt.
Die Grünflächen werden hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt und müssen nicht neu besiedelt werden. Sie dienen als Erholungsraum für die Bevölkerung des Potts und als grüner Puffer zwischen den verschiedenen Gebieten.
Mit knapp 18 Prozent Waldfläche ist das Ruhrgebiet waldreicher als die meisten anderen deutschen Städte. In der Region gibt es mehr als 80 Wälder, die alle innerhalb von 30 Minuten zu Fuß aus einem Siedlungsgebiet entfernt sind.
Darüber hinaus gibt es in den Städten mehr als 4.000 öffentliche Parks, wie zum Beispiel:
- Stadtpark Bochum
- Rombergpark Dortmund
- Stadtpark Herne
oder Grünflächen, die ebenfalls zur Erholung einladen.
- Westfalenpark Dortmund
- Grugapark Essen
- Maximilian Park Hamm
Stauseen, wie der Kemnader See in Bochum oder der Baldeneysee in Essen werden nicht nur für die Wasserwirtschaft, sondern auch für populäre Wassersportarten und Familienausflüge genutzt.
Ein weiteres Highlight ist die “Industrielle Naturstraße”, die ebenfalls während der IBA entstanden ist. Hier werden alte Industriedenkmäler und Brachflächen ganz der Natur überlassen. In einigen Gebieten haben sich Pflanzen, die im Ruhrgebiet bereits verschwunden waren, wieder angesiedelt.